Autodenke macht Klimaschutz zur Tragikomödie
Ich war im September an der Uni Köln und sah dort vor dem zentralen Hörsaalgebäude diese Struktur:
Als ich dieses Foto gemacht habe, habe ich noch nicht vorhergesehen, dass ich den fast schon gewalttätigen Eindruck der Betonkatastrophe einmal würde verbloggen wollen. Daher ist die Inszenierung auf dem Foto eher schmeichelnd. In Wirklichkeit sieht dieses Ding mehr nach Soylent Green als nach Star Trek aus.
Nun gibt es viele hässliche Bauten. Dieser Alptraum in Beton und Glas hingegen ist blogwürdig, weil er ein Klimaschutzprojekt ist. Doch, wirklich. Das ist, ausweislich des im Foto oben mit Pfeilen markierten Schildes, amtlich:
Was an Beton und Glas nachhaltig ist, gar Klimaschutz, fragt ihr? Das könnt ihr gleich noch mehr fragen, denn dieses Ding ist vor allem der Eingang zu einer Fahrrad-Tiefgarage. Einer Fahrrad-Tiefgarage! #SO GEHT KLIMASCHUTZ wirklich nicht.
Jede Menge Beton – rund 10% des menschlichen CO₂-Fußabdrucks kommt allein aus der Zementherstellung – zu vergießen dafür, dass RadlerInnen nun auch die gemeinsam mit Schützengräben in etwa unmenschlichsten Räume nutzen sollen, die die menschliche Fantasie hervorgebracht hat, Tiefgaragen eben: Das ist diesseits vom Autobahnbau so ungefähr die fahrrad- und klimafeindlichste Bauaktion, die ich mir überhaupt vorstellen kann. Wer sich mehr gruseln möchte, kann das mit den Bildern der ArchitektInnen tun („Die Einfahrtsrampe besteht aus Beton und dunklem Gussasphalt“).
Und es ist Autodenke. Große Technik, viel Material, viel Arbeit, viel Mühe, wenig pragmatisches – wir sind ja in Köln – Et-kütt-wie-et-kütt.
Im Gegensatz dazu ist das Schöne am Fahrrad, dass es menschliches Maß hat. Praktisch jeder Mensch kann ein Fahrrad verschieben, und große Mengen Fahrräder sind sehr kompakt unterzubringen. Hier ist ein Beispiel, das mich vorletztes Jahr gleich am Bahnhof in Bologna sehr erfreut hat, zumal auch die abgestellten Fahrräder größtenteils sehr vernünftig und, wie war doch eben das passende Wort, pragmatisch aussahen:
Das ist nachhaltig, weil dafür praktisch nichts zu tun ist, also auch kein zusätzlicher Dreck entsteht. Zumindest nördlich des Alpenhauptkammes wäre allerdings ein einfaches Dach wohl noch nachhaltiger, weil es die Lebensdauer real existierender Fahrräder doch deutlich verlängert. Wenn wirklich ganz fürchterlich dringend wer Geld mit Fahrradabstellmöglichkeiten verdienen muss, würde ich vielleicht über die auch nachgerade automäßig massive Installation am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit mir reden lassen:
Aber nein, das ist schon viel zu viel Material, und auch zu viel Pflaster, eigentlich.
Das um so mehr, wenn ohnehin gerade jede Menge Wellblech weggworfen wird, was ja nicht ganz unüblich ist. Dann nämlich gefällt mir das Design dieses Fahrradständers im Kernforschungszentrum Karlsruhe^W^W KIT Campus Nord gut, auch wenn es vielleicht, genius loci, etwas Losalamös wirken mag:
Der KIT-Verschlag ist gewiss nicht als Nachhaltigkeitsprojekt förderfähig; zu billig, zu wenig Arbeit, zu wenig Material. Wahrscheinlich würde es selbst für das PIK-Monster samt Teilbodenversiegelung eng mit Geld aus CO₂-Ausgleichsfonds. Nein, ich fürchte wirklich, um an diese Sorte Mittel heranzukommen, ist Autologik sehr vorteilhaft, Tiefgaragenlogik, Großtechniklogik, die Logik von Geldverdienen und Unsinn herstellen.
Wie unsinnig das Bauwerk am Kölner Campus ist, mag ein weiteres Schild an seiner Außenseite illustrieren, das ich leider nicht fotografiert habe. Es warnt allen Ernstes vor der Nutzung der Tiefgaragenrampe bei Regen. Wer immer das gebaut hat, hat zum Schaden, nämlich eine Tiefgarage durchqueren zu müssen, noch den Spott gesetzt: Bleib bei Regen lieber draußen. Die Kellerdecke ist nur gegen die Sonne da. Oder so.
Noch nachhaltiger als in Köln wurde mein Kopfschütteln allerdings neulich in Heilbronn, und erst die Konstruktion dort hat das Thema über meine Blogschwelle gelupft. Auch in Heilbronn hat irgendwer CO₂-Fonds oder Nachhaltigkeitsmittel oder sonst so einen Versuch der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie – haben wir da nicht schon vor dreißig Jahren bitter drüber gelacht? – auf den Kopf gehauen, mit diesem Ergebnis:
Das ist ein Robot-Fahrradparkhaus, in das mensch unten ein Fahrrad einführen kann, das dann von einem Lift an einen freien Stellplatz gefahren wird. In das ganze Gebilde passen ganz sicher weniger als 100 Fahrräder rein; Grund- und Zugangsfläche dieses Dings würden, einfach leer gelassen, wohl grob genauso viele Räder fassen. Aber sie bräuchten weder Glas noch Stahl noch Strom noch sonst irgendeine Arbeit. Was in der verqueren Logik das Kapitalismus ein Fehler ist: niemand muss sich plagen, niemand wird damit reicher.
Tja, und drum gibts jetzt dieses Ding, das, selbst wenn es dann mal voll würde, in keinem halbwegs plausiblen Szenario auch nur seine Betriebsemissionen einsparen wird, von der vergegenständlichten Umweltbelastung durch Produktion, Aufbau und späteres Kaputtmachen (ich wette, dass das in 10 Jahren nicht mehr stehen wird) mal ganz zu schweigen. Und dann haben sie noch nicht mal die Gelegenheit genutzt, durch die Schaffung von Sitzgelegenheiten in Bahnhofsnähe etwas mehr Stadtkomfort zu schaffen.
Nee, so wird das nichts. Das ist Marktwirtschaft und keine Weltrettung. Der erste Schritt zu letzterer bleibt: Viel weniger produzieren und viel weniger arbeiten. Und vor allem keinen menschenfeindlichen Quatsch mehr produzieren. In diese Kategorie gehören Fahrradtiefgaragen und -parkhäuser mal definitiv – wie tatsächlich auch fast alles andere in der weiteren Umgebung des Personenkraftwagens.